Eindrücke von meinem ersten Marathon
von Marilyne Haas
Am 03. April bin ich beim Freiburg-Marathon gestartet – mein erster Marathon überhaupt. Wochenlang habe ich mich intensiv darauf vorbereitet und viel trainiert … Ähhh, quatsch! Ich habe mich erst vor 2 Wochen definitiv dafür entschieden, endlich mal einen Marathon in Angriff zu nehmen, und habe mich am letztmöglichen Tag angemeldet. Ich dachte mir: Warum nicht gleich ein Marathon, der vor der Haustür liegt? Ich habe mir also keinen großen Kopf gemacht, sondern nur gedacht: Ach, irgendwie wird’s schon klappen, 33 km über den Moosturm schaffe ich ja auch.
Und so frühstücke ich am Morgen ganz gelassen und rechne nebenbei noch ein paar Durchgangszeiten für verschiedene Tempi aus (4:40 Min./km, 4:50 Min./km, 5:00 Min./km). Dann auf nach Haslach, von wo aus ich mit meinem Bruderherz Théo mit Bukephalos nach Freiburg fahre.
In Freiburg herrscht eine super Stimmung, und daher denke ich auch da noch nicht großartig über die bevorstehende Herausforderung nach.
Und dann ist auch schon 11:15 Uhr, Startzeit für Startblock A (Startblock A geht bis zu einer Zielzeit von 3:30h; da ich das als Zielzeit angegeben habe, darf ich da gerade noch starten J).
Und los geht’s!!!!!! Ich fühle mich einfach nur super! Sehr lockere Muskeln, und wie toll sich das anfühlt, wenn man ohne Druck losläuft (im Vergleich zu einem 10km-Lauf, wo es von Anfang an zur Sache geht)! Ich hänge mich an den Mann, der auf seinen Rücken die 3:15er-Fahne trägt und trabe locker hinterher. Ich bin so frei! Und irgendwo zw. KM 4 und 5 überhole ich das Fähnchen sogar, irgendwie ist der Mann doch langsamer geworden, oder?? Oder ich schneller????
KM 6, 7, 8, 9 …. Alles fliegen sie an mir vorbei, die Stimmung in Freiburg ist grandios, meine Zeiten auch. Ich denke: auch wenn ich jetzt noch viel Zeit verliere, eine Zeit von ca. 3:20h müsste ich doch locker schaffen, oder?
KM 10: Auf meiner Uhr stehen nur 44:27 Minuten, als sie zum Kilometer piepst. Mannomann! Bin ich nicht zu schnell? Aber ich fühle mich nach wie vor super, und ab KM 13 geht es ja wieder bergab, also erst mal weiter so…
In einer Kurve kurz vor KM 14 dann ein kurzer Schreck: in meinem rechten Fußspann zuckt es. Aber dann ist es auch wieder vorbei und ich laufe gelassen weiter. KM 15,16, 17 durch die Freiburger Innenstadt vergehen wie im Flug, bei der Menschenmenge und der Stimmung!!! Überall jubelt jemand, es wird tolle Musik gespielt und manche Leute feuern mich sogar mit meinem Namen an!
Gleich habe ich die HM-Marke geschafft, nur noch die Brücke hoch und dann geht’s schon in die 2. Runde J Und ich plane schon seit ein paar Minuten fest meine 1. Pause, um später kein Energieloch zu verspüren: Ich nehme mir vor, bei der nächsten Verpflegungsstation ein paar Meter zu gehen, etwas zu trinken und Energiegels zu mir zu nehmen. Auf den ersten 21km lief es so toll, dass ich bisher nichts getrunken habe – ich wollte meinen tollen Rhythmus ja beibehalten. Aber von erfahrenen Langstreckenläufer (*Théo, Papa) weiß ich: ich muss bald nach KM 20 etwas zu mir nehmen, sonst werde ich es später bitter bereuen.
Uff, die Brücke hoch zur 2. Runde ist doch steiler als sie aussieht … Und dann noch diese blöde Schlaufe mit scharfem Wendepunkt, die man laufen muss. Das Fähnchen mit 3:15 überholt mich wieder. Aber was soll’s, das war ja eher ein utopischer Traum meinerseits … Und nochmal die Brücke hoch… Aber noch läuft alles gut, meine offizielle HM-Zeit: unglaubliche 1:36:52, Durchschnitt von 4:47 Minuten auf den Kilometer (Naja, im Vergleich zu meiner 10km-Zeit habe ich schon ein bisschen nachgelassen J). Vielleicht wird das ja noch was mir den ca. 3:20h! Da vorne läuft ja noch die 3:15-Fahne…
KM 22 und 23 laufe ich gut, ich trinke kurz etwas bei einer Station. Aber wo sind die Energiegels? Hieß es nicht, ab KM 22 gibt es welche? Ich kann keine sehen!!! Aber gut, 2 Becher Wasser sind bei der ungewohnten Hitze (erstes Wochenende mit 20°C) auch erst mal willkommen.
Puh, jetzt wird es anstrengender… Und plötzlich steht da fast jeden Kilometer eine 5 bei meiner Uhr, wie kann das sein? Hatte ich eben nicht noch einen Schnitt von 4:47 Min./km? Und wo bleibt jetzt die versprochene Station, an der es Gels geben soll? Ich glaube, nach 26km kann ich jetzt mal Zucker gebrauchen … Grrrrrr….
Ah, Gott sei Dank, da vorne kommt eine große Verpflegungsstation! Ok es gibt Folgendes: Wasser, ISO-Drinks – ich nehme einen Becher von jedem – aber wo sind die Gels? Ah, da auf einem Tisch gibt es Energie-Riegel. Ich nimm mir ein Stück und beiße hinein. Aber kauen ist sooo umständlich… Oh, da auf dem nächsten Tisch sehe ich sie: ENERGIE-GELS!
Ich werfe den Riegel weg, das ist viel zu anstrengend mit dem Kauen. Ok, welchen Geschmack nehme ich? Ach egal, ich schnappe mir irgendeines und sehe nur aus dem Augenwinkel: Caramel-Cappuccino-Geschmack. Das mag ich eigentlich gar nicht, aber es schmeckt herrlich und es ist sooo einfach zu essen: Man zieht einfach alles mit den Zähnen in den Mund und schluckt das Ganze! Da fühlt man sich doch gleich wieder stärker! Und gut dass ich noch einen Becher Wasser in der Hand habe, denn jetzt ist mein ganze Mund von der Pampe verklebt (Danke an mein Bruderherz Théo für diesen Tipp!).
Ca. 500m lang fühle ich mich wieder super und dann geht’s los: Meine Waden werden schon seit ein KM 22/23 immer härter, aber jetzt wandeln sie sich gerade in Stein um!!!! Und verdammt nochmal, warum geht es hier immer nur hoch?
Ich schaffe das einfach nicht, ich kann nicht mehr, oh Gott, wie soll ich noch 14km schaffen? Mein langer Leidensweg beginnt… Es ist alles schrecklich! Ich quäle mich jede Sekunde und denke dabei: das ist also die Grenzerfahrung, von der man spricht… Nie wieder laufe ich einen Marathon! Das ist doch schrecklich! Wer hat sich das ausgedacht? Idioten!
Ich werde immer langsamer…
Endlich kurz vor KM 31, die nächste Station mit Gels: wie vorhin erlaube ich es mir, kurz zu gehen, zu trinken und ein Gel zu nehmen (wieder Caramel-Cappucino, haben die nur das?).
Und weiter geht’s! Ich sehne mich nach jedem KM-Schild wie noch nie in meinem Leben. Das Fiese an der Sache ist zudem Folgendes: Da ich keine Ideallinie laufe, piepst meine Uhr mittlerweile immer schon ca. 400m vor den Schildern, d.h. ich weiß jetzt schon, dass ich am Ende laut meiner Uhr mindestens 42,6 km laufen muss L Hilfe!
Diese verflixten Schilder scheinen doch wirklich immer weiter auseinander zu sein! Es ist so unbeschreiblich schrecklich! Meine Waden haben sich mittlerweile ganz in Stein umgewandelt und schmerzen höllisch, meine Fußzehen schmerzen auch – aber im Vergleich zu meinen Waden fallen sie kaum ins Gewicht…
Puh, und jetzt noch versuchen, kein ganz so schlimmes Gesicht zu machen, wenn’s wieder durch die Innenstadt geht. Aber so langsam ein kleiner Lichtblick: es läuft wieder minimal besser, KM 34 auf der Uhr sogar wieder 5:07, KM 36 – 5:04 und KM 37 sogar 4:56! Sehr gut! So klappt das bestimmt noch unter 3:30h J
Arrrrrrrrrrg: Kurz vor KM 38 – ein Zucken im rechten Oberschenkel. Hilfe, das fühlt sich so an, als würde ich gleich einen Krampf bekommen! NEIN, NEIN, NEIN, nein, nein, BITTE nicht…. Also verlangsame ich das Tempo wieder leicht und beginne mental, auf meinen Muskel einzureden, wie ich es von meinem Papa gelernt habe ;-) Und siehe da, das Zucken im Oberschenkel verschwindet! Was ich mit meiner Gedankenkraft doch alles bewirken kann!!!
Doch ein paar 100m weiter, wo ich mir sicher bin, dass die Gefahr gebannt ist: Plötzlich heftiges Zucken in meinen beiden, dauerhaft schon schmerzenden Waden. In der rechten Wade etwas stärker. NEIN, NEIN, NEIN! Ich darf jetzt knappe 4km vor dem Ziel keine Krämpfe bekommen, ich möchte doch noch die 3:30h schaffen. Also wieder: mentales Einreden auf die Muskeln. Hm …. Irgendwie wirkt es nicht mehr …. Ahhhhhhh!!!
Da vorne wäre nochmal eine Verpflegungsstation, aber so kurz vor dem Ziel brauche ich jetzt nichts mehr. Und ich DARF auf keinen Fall eine Bewegung machen, die nicht ins Schema passt, sonst ist es vorbei und die Krämpfe gehen los!
Ich gebe mir auf den letzten Kilometern also hochkonzentriert alle Mühe, die ich noch aufbringen kann, auf keinem Fall eine blöde Bewegung zu machen. Immer schön gleichmäßige Bewegungen …
Meter für Meter kämpfe ich, konzentriere mich, bange um meine Marathon-Zeit. Ich darf keine Krämpfe bekommen! Nicht jetzt!
Aber endlich: Die Brücke hoch, auf die Zielgerade wo mich Théo schon angrinst und zusammen mit vielen andern Leuten anfeuert und ENDLICH durchs Ziel!
3:30:10 Stunden Netto sind es am Ende offiziell!
(Und wer jetzt denkt: die 10 Sekunden hätte ich auf den letzten Metern noch rausholen können: es war unmöglich! Jegliche Tempoveränderung hätte mein Ende bedeutet!)
Über die Ziellinie, das fühlt sich genial an! Ich gehe langsam über ins Gehen und merke jetzt noch stärker, wie schmerzhaft meine Waden sind.
Ich komme kaum voran. Ca. 20 Meter muss ich noch gehen, da vorne stehen die Damen mit den Finisher-Medaillen. Alle grinsen sie mich an… Ich sehe sie aus 20 Metern Entfernung. Ich kann kaum noch gehen, ich bewege mich mit „Tapserchen“ voran. Es scheint alles in Zeitlupe abzulaufen, aber nein, das ist die Realität! Bis ich endlich bei meiner Medaille angekommen bin, vergeht eine gefühlte Ewigkeit!
Aber dann hängt sie um meinen Hals!
Die Finisher-Medaille der Freiburger Marathon – MEIN ERSTER MARATHON!!!
Fazit:
Ich habe beim Laufen gedacht – NIE WIEDER. Tagelang habe ich wohl noch Schmerzen in den Waden und jegliches Gehen ist eine Herausforderung. Aber gleich am Montag, erster Tag nach dem Marathon, bin ich schon voller Freude und Aufregung auf meinen nächsten Marathon. Hm… Welchen könnte ich dieses Jahr noch laufen?
Vielleicht Karlsruhe am 25.09.2016 ….
Mal schauen :-)
(Und dann vielleicht doch mit etwas Vorbereitung ;-))
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